Wieder ist bei mir eine Flasche Weißwein auf dem Tisch gelandet. Das passiert in letzter Zeit immer häufiger – dabei war ich früher überzeugter Rotweintrinker.

So wie vielen Rotweinliebhabern fehlte mir früher bei Weißwein die Aromavielfalt und Gaumenintensität. Ein Anfängerfehler, den ich inzwischen wohl mit jeder neuen Flasche ein Stück mehr korrigiere – und manchmal sogar mit einem Schmunzeln über mich selbst. Diesmal könnte ich den Kirchspiel durchaus zu den besonders überzeugenden Beispielen zählen.

Oder, um es mit Hugh Johnson und Jancis Robinson im Weinatlas zu sagen: „Deutschlands Weine sind die am meisten missverstandenen der Welt.“ Wie wahr – und wie schön, wenn man diese Missverständnisse Glas für Glas abbauen darf.

Riesling Kirchspiel Westhofen 2023 von Seehof.

In der Nase entfaltet sich eine feine Holunderblüte, begleitet von gelber Frucht und einer zarten Mineralität. Der Duft wirkt frisch und zugleich verspielt.

Am Gaumen zeigt sich der Wein weich und warm, mit einem Hauch von Honig, der ihm eine angenehme Rundung gibt. Gleichzeitig sorgt die kalkige Mineralität für Klarheit und Spannung.

Im Abgang bleibt eine klare Apfelfrucht, die den frischen Nachhall elegant abrundet und lange nachwirkt.

Ein Riesling, der Gegensätze verbindet: florale Leichtigkeit, honigwarme Weichheit und präzise Mineralität. Für mich wieder ein Weißwein, der beweist, dass es nicht immer Rot sein muss.