Deutschland im Jahr 2021. Wir haben Anfang Juli, Deutschland erholt sich von den vielen Einschränkungen, atmet auf und erinnert sich an ein lebenswürdiges Leben. Draußen, in Gesellschaft guter Freunde, in Heiterkeit und Unbeschwertheit. Zwei Hitzewellen sind schon durchs Land gerollt, unzählige Einladungen zum gemeinsamen Abend im Garten wurden ausgesprochen, viele weitere werden noch folgen. Jedes Mal stellt sich die Frage nach dem passenden Getränk in gediegener Atmosphäre. Dies ist die große Bühne vor allem eines Weintypus, der eben genau die Attribute mitbringt, die es braucht, um einen schönen Abend in geselliger Runde zu verbringen, um Weiß- und Rotweintrinker unter einen Hut zu bringen: der Roséwein. Eigentlich ein Vielkönner, ein Allrounder, der Frische und Komplexität, Lebhaftigkeit und Abwechslung super vereinen kann. Doch genau diese Vielseitigkeit wird ihm häufig als Profilschwäche ausgelegt und allzu oft wird er als nicht ernst zu nehmender Wein abgestempelt.  Heute berichten wir über drei bestens interpretierte Exemplare aus Südfrankreich, der Heimat genialer Roséweine die man durchaus ernst nehmen sollte. Auf Grund ihrer Herkunft, ihrer Qualität und ihres hohen Spaßfaktors.

Rosé, Südfrankreich

Wie entsteht eigentlich ein Rosé?

Zunächst sollten sie wissen, dass fast alle Rebsorten, bis auf ganz wenige Ausnahmen, weißes Fruchtfleisch aufweisen. Das bedeutet, dass alle Weine, die nicht weiß sind, ihre Farbe aus dem Kontakt zur Beerenhaut, also der Schale, erhalten. Dies beginnt, sobald der Most, also der flüssige Teil des späteren Weines, mit den Häuten in Kontakt tritt. Bei niedrigen Temperaturen und wenn die Trauben sanft gepresst werden, ist die Farbausbeute entsprechend niedrig. Deutlich mehr Farbe wird extrahiert, wenn die Temperatur des Mostes oder der Maische steigt. Wann steigt sie? Wenn die Hefen den Fruchtzucker verspeisen, so der Alkohol aufgebaut wird und Kohlensäure entsteht. Diese Aktivität der Hefen wird nicht nur durch die Kohlensäure sichtbar, sondern auch fühlbar. Es entsteht nämlich Wärme. Und durch die Wärme lassen sich die Farbpigmente der Beerenhäute sehr gut extrahieren. Somit sind die beiden Möglichkeiten der Roséwein -Gewinnung auch schon aufgezeigt: Entweder durch die sanfte Pressung der Trauben und deren sofortige Verarbeitung als Most (Traubenpressung). Oder indem der Winzer zunächst einen Rotwein „ansetzt“ und nach ein paar Stunden des Kontaktes zur Maische (je nach Farbintensität) den Hahn öffnet und den gefärbten Most abfließen lässt, um ihn dann zu einem Rosé weiterzuverarbeiten (Saignée- Methode/ saignée franz. „ausbluten“). Durch die Verringerung des Verhältnisses Most zu Maische konzentriert der Winzer seinen Rotwein, gewinnt dadurch ganz nebenbei einen Roséwein und erschließt so auch ein weiteres Feld der Vermarktung.

Rosé aus Süden Frankreichs. Weltklassiker

Der 2020er Rosé de la Janasse beispielsweise entsteht zur Hälfte aus der Pressung von roten Trauben und zur anderen Hälfte durch die Saignée- Methode. Das sehr namhafte Weingut, welches für seine roten Côtes du Rhône und kraftvollen Châteauneuf-du-Pape weltberühmt ist, keltert den als IGP Mediterranée deklarierten Rosé aus größtenteils Grenache und Syrah. Beides sind Rebsorten, die sehr typisch für die Region sind, die miteinander auch sehr gut harmonieren, bringt erstere doch Frucht und letztere Würze und Spiel mit in den Wein. Auffällig an diesem Rosé ist seine zarte, lachsfarbene Erscheinung. Allem Anschein nach ging es dem Weingut darum einen Rosé im Provence- Stil zu keltern, bei dem es nicht, im Gegensatz zu den sehr intensiven Rotweinen des Hauses, um Konzentration und Kraft, als vielmehr um Frische und Leichtigkeit ging. Und genau auf diese Art kommuniziert dieser Rosé dann auch.  Die Ansprache der Nase ist von Orangenabrieb und Johannisbeere geprägt. Zitrische Noten begleiten die mir gut gefallende, riechbare Mineralität. Am Gaumen ganz zart laktisch mit einem Hauch von Karamell in der Mitte des Körpers. Grapefruit und Ingwer komplettieren den Wein, der durch seine Frische und Leichtigkeit begeistert.

Während der Rosé der Domaine de la Janasse durch seinen Stil an einen Wein der Provence erinnern möchte, stammen die Trauben des 2020er Le Paradou tatsächlich aus der Provence. Die Familie Chaudière, die uns später an anderer Stelle wieder begegnen wird, hat eigens für diesen Wein eine kleine Parzelle westlich von Aix-en-Provence gekauft, die mit den für diese Region typischen Rebsorten Cinsault, Grenache und Vermentino gepflanzt ist. Ja, sie liegen richtig: Vermentino ist eine Weißweinrebsorte!  Da es in dieser Region sehr schnell sehr warm wird, beginnt die Lese schon sehr früh am Morgen. Die Trauben werden geerntet, schnell ins Weingut gebracht, nochmals heruntergekühlt und dann sanft gepresst. Die Farbe leuchtet daher in einem schon dichteren und schönen Rosa. Besonders gut an diesem Wein hat mir gefallen, dass er den Duft von Kirschen in all seinen Facetten so deutlich transportiert: rote, saftige Kirsche, Kirschblüten und auch etwas Mandelduft.           der weißen Vermentino- Traube macht sich vor allem am Gaumen bemerkbar. Der Paradou Rosé erinnert am meisten von den drei hier vorgestellten Weinen an einen Weißwein. Ein klar zu erkennender und spürbarer Säurenerv lässt den Wein rassig und vibrierend wirken. Die feine Frucht ist klug in einem zarten Schmelz verpackt, der Nachhall ist quicklebendig und animiert die Hand zum Nachschenken. Richtig gut gelungen, dieser Paradou! 

Der 2020er Les Terrasses vom Château Pesquié kommt aus deiner anderen malerischen Landschaft. Wer in diesen Tagen die jährliche stattfindende Tour de France verfolgt, kennt vielleicht eine der schwersten und anstrengendsten Etappen. Nämlich die, bei der es den Mont Ventoux hoch geht. Und vom Fuße des majestätisch thronenden Mont Ventoux, von einer Höhe von 300 Metern N.N., kommen die Trauben für diesen Wein her. Der Untergrund ist massiver Kalkstein auf dem eine leichte Auflage Lehmboden liegt. Aus dem Kalk ziehen die Cinsault-, Grenache- und Syrah-Trauben ihre Prägnanz und ihre Ausdrucksstärke. Sanft gepresst, für ein paar Stunden im Kontakt mit den Beerenhäuten und dann spontan und mit eigenen Hefen im Stahl vergoren. Das ist ein Konzept, was diesem Wein zu viel Charme und Charakter verleiht. Vielleicht ist es auch die biodynamische Landwirtschaft, die den Trauben zu einem weiteren qualitativen Vorteil verhilft. Wir glauben daran und erfreuen uns immer wieder an diesem nach rotem Apfel, Kirsche und Tomate duftenden Wein. Denn auch am Gaumen setzt er Ausrufezeichen in Sachen Eleganz, Harmonie und Feingliedrigkeit. Von allen drei Rosés scheint er mir der komplexeste Wein zu sein.  Und dennoch begeistern auch der Janasse mit seiner Frische und seiner schwebenden Art und der Paradou durch seine Weißwein-Attitüde. Und wenn sie nicht wissen, mit welchem in der Hand sie zu der nächsten Einladung ihrer Freunde gehen sollen, dann nehmen sie doch gleich alle drei mit und setzen gleich drei Ausrufezeichen. Ihre Freunde werden es ihnen danken!